Die „deliberative Welle“ hat insbesondere Deutschland erfasst: Immer öfter setzen Kommunen, Länder und zuletzt auch der Bundestag auf losbasierte Bürgerräte. Das zeigt der Bericht „Bürgerräte in Deutschland“ auf, den der Fachverband Mehr Demokratie und das Institut für Demokratie- & Partizipationsforschung der Universität Wuppertal (IDPF) heute vorstellten. Es ist der erste seiner Art und er basiert auf einer neuen Datenbank, die losbasierte Beteiligungsverfahren erfasst.
„Nirgends auf der Welt gibt es mehr losbasierte Bürgerräte als bei uns“, sagt Projektleiter Prof. Detlef Sack, Vorstandsvorsitzender des IDPF. Der Bericht erfasst 298 Verfahren seit 1972, als man solche Verfahren Planungszelle nannte. Was die Zahl der losbasierten Bürgerräte betrifft, habe es in den Zwanziger-Jahren eine Explosion gegeben. Fanden in den Zehner-Jahren durchschnittlich jährlich sechs Bürgerräte in Deutschland statt, waren es in den Jahren 2020 bis 2023 fast 30 pro Jahr. „80 Prozent davon auf kommunaler Ebene“, so Sack.
„Deutschland ist Weltmeister der losbasierten Beteiligung“, sagt Claudine Nierth, Bundesvorstandssprecherin von Mehr Demokratie. „Losbasierte Bürgerräte sind beliebt und bewähren sich in der Praxis. Sie liefern Antworten und tragen zur Lösung von politischen Konflikten bei. Bürgerräte ermöglichen konstruktive Prozesse bei kontroversen Themen und erhöhen die Zufriedenheit bei Bürgerschaft und Politik.“
Auf Bundesebene gab es bisher einen vom Bundestag eingesetzten Bürgerrat („Ernährung im Wandel“), der Ende Januar endete. Daneben gab es neun von Bundesministerien oder zivilgesellschaftlichen Akteuren organisierte bundesweite Bürgerräte und knapp 20 auf Landesebene. Wöchtentlich erfasst das Datenbankteam neue Bürgerräte und bisher unbekannte Fälle.
Unter dem Label Bürgerrat fasst die Studie Verfahren mit unterschiedlichen Namen zusammen. Mal heißen sie Bürgerrat, mal Bürgerforum, mal Planungszelle, mal Bürgerdialog, mal Zukunftsdialog. Doch stets haben sie vier Gemeinsamkeiten: Die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger werden erstens nach dem Zufallsprinzip ausgelost. Sie verhandeln zweitens ein politisches Thema. Die Beratung findet in Form von Gruppendiskussionen statt. Viertens legen die beteiligten Bürgerinnen und Bürger inhaltliche Ergebnisse vor, in der Regel Empfehlungen, oft in Form eines Bürgergutachtens. So erarbeitete zum Beispiel der bundesweite Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ neun Empfehlungen, unter anderem die Einführung eines kostenlosen Schulessens. Sein Bürgergutachten umfasste gut 50 Seiten.
Weitere Informationen:
Der erste Bürgerratsbericht „Bürgerräte in Deutschland. Entwicklung und Vielfalt losbasierter Beteiligung“
www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2024/Publikationen/2024_10_22_Buergerratsbericht_web.pdf
Die Datenbank Bürgerräte:
https://www.datenbank-buergerraete.info/
Fotos von Claudine Nierth und Prof. Sack:
Nierth: https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/img/2023/Mehr_Demokratie/Organisation/Vorstand/Bundesvorstand-Nierth.jpg (Bildquelle: Mehr Demokratie e.V.)
Prof. Sack: https://www.politikwissenschaft.uni-wuppertal.de/fileadmin/politikwissenschaft/2._Organisation/Mitglieder_des_Instituts/Sack/Sack_Foto.jpg (Bildquelle: Friederike von Heyden)
Die Webseite buergerrat.de mit Hintergrundinfos zu Bürgerräten
www.buergerrat.de
www.buergerrat.de/wissen/
Die Webseiten der Herausgeber:
https://www.mehr-demokratie.de
https://www.idpf.eu
Kontakt:
Ansprechpartner für inhaltliche Rückfragen: Dr. Florian Wieczorek, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Bürgerräte, Mehr Demokratie e.V. Telefon: 030 /42082365